manushya ° Tür in eine Welt ungewollter Kinderlosigkeit

Jennifer Margraff & Monika Isanska

“Macht euch keinen Stress, ihr seid ja noch jung!”

“Nächsten Zyklus klappt es bestimmt!”

“Fahrt doch einfach mal in Urlaub!”

“Sollen wir euch mal zeigen, wie das geht...?”

“Dann adoptiert doch einfach!”

Das und noch viel mehr wurde mir und meinem Exmann über Jahre zu unserem unerfüllten Kinderwunsch geraten.  Aussagen, die sie mehr als einmal verletzt haben. Aussagen, die uns den Eindruck vermittelten, nicht ernst genommen zu werden.  Den Eindruck, unsere Gefühle würden nicht ernst genommen.  Unser Empfinden würde nicht ernst genommen.  Unsere Realität würde nicht ernst genommen.

Mehr, als nur einmal habe ich mir aus tiefstem Herzen gewünscht, mein Gegenüber meine Welt einmal durch meine Augen sehen lassen zu können. 

Den Schmerz.

Die Trauer.

Die Ohnmacht.

  Die Verzweiflung.

Die Scham.

In der Kinderwunschklinik haben wir gesehen, dass wir nicht alleine sind. 

Dort haben wir Menschen jeden Alters, jeder sozialen Klasse und unterschiedlichster Herkunft gesehen. 
Es gab unzählige Menschen, denen es so ging, wie uns.
Es gibt unzählige Menschen, denen es so geht, wie uns. 

Die Erfolgsquote einer künstlichen Befruchtung – d.h. eine Schwangerschaft – liegt je nach Ausgangslage zwischen 4 und 40%. 

Die sogenannte “Baby-take-Home-Rate" - d.h. ein lebendes Kind mit nach Hause zu nehmen - liegt nicht bei 100%, auch nicht bei 50%, sondern bei 20% bis 30%... 

Nein, die assistierte Reproduktionsmedizin ist kein Garant für ein Kind.
Und nein, es braucht selten nur einen Versuch. 
Manchmal braucht es 3, manchmal 10. 
Manchmal reichen all diese Versuche nicht aus.

Und viele Paare gehen leer aus.
Ohne Kind. 
Für immer.

Statistisch gesehen ist jedes 10. Paar ungewollt kinderlos. 

Und das hat nicht nur einen Einfluss auf die Partnerschaft Nein.

Es hat auch einen Einfluss auf deine Familie, deine Freundschaften, dein Umfeld, deinen Job, deine Lebensqualität Es hat Einfluss auf einfach alles.   

Unsere Ehe hat nicht überlebt. Wie so viele andere.

Unsere Familien haben uns zur Seite gestanden. Andere Familien tun das nicht.  Viele Freundschaften haben diese Zeit überstanden, andere nicht.

Überall und in fast jeder Lebenslage wurde ich mit diesem Wunsch konfrontiert.  Es gab für mich kein Entkommen. Keine Auszeit. Keine Pause. 

Die Zeit des unerfüllten Kinderwunsches ist nichts, das nur so nebenherläuft. 

Die Sehnsucht nach einem Kind machte mein Leben aus.  Die Sehnsucht war mein Inhalt, ihr Rahmen und ihre Struktur. 

Die Behandlungen, Erfolgsgeschichten anderer und der unbändige Wunsch nach einer eigenen Familie haben mich vollkommen eingenommen. Wurden zu meiner Identität. Der Kinderwunsch beherrschte mein Leben, meine Gedanken und mein Sein. 

Denn wer könnte ich schon sein, wenn ich keine Mutter bin?  Wenn ich das augenscheinlich einfachste und natürlichste auf der Welt nicht konnte. Schwanger werden. 

Wer war ich dann noch?

Das Projekt fasst mehr als 4 Jahre Kinderwunsch zusammen.

Die Projektdauer betrug genau 9 Monate

(April-Dezember 2023)


50 Versuchszyklen.

50 negative Ergebnisse.

11 hormonell unterstützte Zyklen in 15 Monaten.  

487 Spritzen, Zäpfchen, Tabletten.

Mehr als eine Million geweinte Tränen.

0 Schwangerschaften.

0 Kinder.

Ich möchte dir die Welt zeigen, in der ich jahrelang gelebt habe.

Meine Welt. 

Eine Welt ungewollter Kinderlosigkeit. 

Ausstellung - Installation

Die Ausstellung war vom 13.01.2024 bis zum 29.02.2024 im Kuckuck, Sankt Vith (B) zu sehen.

Als Basis wurden zwei schwarze Holzkisten aufgebaut, welche die Kabinen der Kinderwunschklinik darstellten. Diese Kisten wurden mit einem Vorhang versehen, der den Besucher von einer düsteren, beengenden und ungewissen Welt trennt. Das Innere kann nur mit einem künstlichen Licht erforscht werden; denn, um die Gefühle sehen zu können, muss der Besucher sie erst einmal finden.

Auf dem Boden wurden unterschiedliche Fragen geklebt, die wir uns als Paar während der Kinderwunschzeit stellen.

Ein Stummfilm verhalf den Bildern zu Lebendigkeit.

QR-Codes führten den Besucher zu Aufnahmen aus meiner Welt (Tagebücher, Gedanken, Ängste und Wünsche).

Beitrag regionale Medien: "Manushya": Fotoausstellung in St. Vith über unerfüllten Kinderwunsch - BRF Nachrichten

Der Titelmanushya leitet sich vom Sanskrit ab und bedeutet so viel wie “Mensch sein” oder “menschlich sein”.

In der Kinderwunschzeit hatte ich häufig das Gefühl, ein schlechter Mensch zu sein. Eine schlechte Freundin zu sein. 

Doch wer wären wir Menschen ohne unsere Gefühle?
Sind sie nicht das, was uns ausmacht.

Das, was uns zu Menschen macht? 

Du bist Mensch. Nicht mehr, nicht weniger.

Ziel der Ausstellung / des Projektes ist es, diesem Tabuthema der ungewollten Kinderlosigkeit Raum und Gehör zu verschaffen. 

Dieses Projekt soll ein Weckruf sein. 
Ein Weckruf für mehr Sensibilität, mehr Verständnis.
Ein Weckruf, die Gefühlswelt und das Empfinden seines Gegenüber ernst zu nehmen. Seine eigene Gefühlswelt, sein eigenes Empfinden ernst zu nehmen.

Wir möchten Menschen dazu ermutigen, dieses Thema aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und sich mit ihm auseinander zu setzen.

Denn die Betroffenheit endet nicht da, wo ein Kind geboren wird. 

© 2025 Monika Isanska

(Fotos: Jordan Toussaint)